Rolle der EU nach Covid-19

Europa muss sich an den Riemen reißen, will es nicht der große Verlierer in dieser großen Krise sein. Die Vorhersagen schauen düster aus, die gesetzten Handlungen sind bei weitem nicht ausreichend. Wir müssen die Stimme insbesondere auch der Jungen Wirtschaft nicht nur in Österreich, sondern europaweit, noch viel massiver erheben!

Portrait Christoph Leitl | Gastautor

Christoph Leitl | Gastautor

Präsident der europäischen Wirtschaftskammer EUROCHAMBRES

30.7.2020

Foto zeigt Christoph Leitl
© Niesner

Erleichterung nach dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Brüssel. Keine Verschiebung, endlich ein Kompromiss gefunden, also alles paletti?

Nein, natürlich nicht.

Covid-19 ist noch lange nicht ausgestanden. Eine lähmende Unsicherheit legt sich über viele Teile der Wirtschaft. Niemand kann sagen, welche Entwicklung diese Pandemie nimmt. Wir wissen nur eines: Sehr viele, zu viele, Betriebe sind in existenzieller Not und es muss ihnen rasch geholfen werden, wollen wir nicht einen Kahlschlag insbesondere auch im Bereich der jungen Unternehmen, vieler Start-ups und vor allem in den rasch wachsenden Dienstleistungssektoren hinnehmen. Da geht es nicht nur um unternehmerische Existenzen, da geht es auch um soziale und damit gesellschaftliche Folgen.
Nach der Einigung von Brüssel müssen die Rettungsmechanismen jetzt von europäischer Seite rasch auf der nationalen Ebene umgesetzt werden. Den Wirtschaftskammern und auch der Jungen Wirtschaft kommt dabei ein ganz besonderer Stellenwert zu. Wir als Praktiker wissen am besten, wo der Hebel am sinnvollsten anzusetzen ist, um die negativen Auswirkungen zu bekämpfen und positive Perspektiven zu entwickeln.

Die Kürzung der Budgetmittel gegenüber dem Vorschlag der Kommission und des Parlaments in wichtigen Bereichen wie Digitalisierung, Green Deal, Sicherheit und Migration beeinträchtigt die ambitionierten Pläne der Europäischen Kommission nachhaltig. Für die Junge Wirtschaft ist auch die Kürzung im Jugendaustauschprogramm ERASMUS+ eine bittere Pille. Das zeigt schon den Konstruktionsfehler Europas: Kann man sich vorstellen, dass sich in Österreich Regierung und Parlament auf eine Sache einigen und dann kommen die Bundesländer und zerpflücken diese Einigung und schreiben etwas Anderes vor? Europa muss seine Konstruktion neu überdenken, vom unsinnigen Prinzip der Einstimmigkeit abgehen, und ein normales demokratisches Wesen sein.

Die Stärkung des gemeinsamen Marktes, insbesondere auch in der für junge Unternehmen so wichtigen Frage der Start- und Wachstumsfinanzierung ist ein entscheidender Punkt der europäischen Wirtschaftskammer. Die USA haben einen funktionierenden Kapitalmarkt, China einen funktionierenden Staatskapitalismus. Europa steht mit leeren Händen da, so dass sich viele Unternehmungen von Europa abwenden müssen, wenn sie ihre Vorhaben realisieren wollen. Das kann es doch nicht sein! Da schauen wir zu! Die Stärkung des Binnenmarkts ist daher eine Notwendigkeit, ebenso wie der Abschluss von Freihandelsabkommen Europas mit der ganzen Welt. Österreich ist eine Exportnation und daher auf die Weltmärkte viel stärker als andere angewiesen. Dieses Denken ist leider noch nicht in allen Köpfen verankert. Hier hat die Junge Wirtschaft eine gewaltige Aufgabe dem Bewusstsein der Politik nicht nur, aber auch in unserem Land nachzuhelfen. Die Junge Wirtschaft ist damit ein unverzichtbarer Mitgestalter!

Christoph Leitl, Präsident der europäischen Wirtschaftskammer EUROCHAMBRES
Er wurde am 29. März 1949 in Linz geboren und entstammt einer bekannten oberösterreichischen Unternehmerfamilie. Schon in jungen Jahren begeisterte ihn der europäische Gedanke und er begründete die Europajugend Linz.

Nach erfolgreichem Abschluss seines Sozial- und Wirtschaftsstudiums wirkte Leitl als Geschäftsführer in der vierten Generation seines Familienunternehmens Bauhütte Leitl-Werke (Erzeugung von Baustoffen). Von 1990 bis 2000 war er Mitglied der Landesregierung und stellvertretender Landeshauptmann von Oberösterreich.

Im Juni 2000 wurde er mit großer Mehrheit von den österreichischen Unternehmern zum Präsidenten der Wirtschaftskammer Österreich gewählt. In dieser Funktion war er bis Mai 2018 tätig. Bereits 2002 bis 2005 vertrat er auch als Präsident von EUROCHAMBRES die Interessen von 20 Mio. europäischen Unternehmungen.

2018 wurde Leitl erneut zum Präsidenten von EUROCHAMBRES gewählt und wirkt seit 2006 als Chairman der Global Chamber Platform und vertritt dort 100 Mio. Unternehmen mit 1 Mrd. Mitarbeitern. 2005 bis 2009 bekleidete er die Funktion des Präsidenten der Europäischen Mittelstandsunion (SME-Union). Leitl ist Präsident OIER (Organisation für Internationale Wirtschaftsbeziehungen) mit Akkreditierung bei der UNO, Gastprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien und hält regelmäßig Vorlesungen und Seminare, auch an vielen der besten Universitäten der Welt.

2018 initiierte Leitl die Stiftung European Youth Forum Neumarkt EYFON, die es jungen Menschen aus allen Teilen Europas ermöglicht, sich in der Burg Forchtenstein/Neumarkt zu treffen um die Zukunft Europas zu diskutieren und dabei den „Spirit of Europe“ zu erleben.

Auszeichnungen:
Bürgerpreis des Europäischen Parlaments, Mérite Européen in Gold

Publikationen:
China am Ziel! Europa am Ende? / Christoph Leitl
Europa? Europa! / Leitl, Verheugen
Ja – wir können Europas Krise überwinden / Europäische Rundschau

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